21th August 2025

Ökobilanz im Bauwesen: Von den Daten zur Entscheidungsfindung

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Erfahren Sie, wie Life Cycle Assessment (LCA) und BIM-gesteuerte Mengenermittlung nachhaltiges Bauen, EPD-Integration und die Einhaltung umweltfreundlicher Gebäudevorschriften ermöglichen.

Integration von Ökobilanzen in die Tragwerksplanung: Ein schrittweiser Ansatz

Die Ökobilanz (LCA) hat sich zu einem unverzichtbaren Instrument der nachhaltigen Tragwerksplanung entwickelt. Sie unterstützt Projektteams dabei, datenbasierte Entscheidungen zu treffen und die Umweltauswirkungen vom Konzept bis zur Bauausführung zu minimieren. Der Ökobilanzprozess folgt einer strukturierten Methodik, die in fünf Hauptschritte unterteilt ist:

1. Ziel und Umfang festlegen:

In diesem ersten Schritt werden der Zweck der Bewertung, ihr funktionales Äquivalent, der Untersuchungszeitraum und die Systemgrenzen festgelegt. Eine klare Definition stellt sicher, dass die Ökobilanzergebnisse für die beabsichtigte Nutzung des Gebäudes relevant und umsetzbar sind.

2. Bestandsaufnahme:

Über den gesamten Lebenszyklus des Gebäudes werden detaillierte Daten zu Materialien, Energieverbrauch und Bauprozessen erhoben. Szenarien werden entwickelt, um die verschiedenen Lebenszyklusphasen abzubilden und sowohl den Netto- als auch den Bruttoressourcenverbrauch zu erfassen.

3. Folgenabschätzung durchführen:

Umweltproduktdeklarationen (EPDs) und andere verifizierte Datenquellen werden zur Berechnung von Umweltindikatoren wie dem GWP (Treibhauspotenzial) verwendet. Dies gewährleistet Konsistenz und Zuverlässigkeit bei der Quantifizierung der Umweltauswirkungen.

4. Ergebnisse interpretieren:

Die Ergebnisse werden zusammengefasst, um aussagekräftige Schlussfolgerungen zu ziehen und Möglichkeiten zur Reduzierung des CO2-Fußabdrucks oder zur Verbesserung der Ressourceneffizienz aufzuzeigen.

5. Berichten und Verifizieren:

Eine transparente Kommunikation von Ergebnissen, Datenquellen und Verifizierungsprozessen ist entscheidend, insbesondere bei der Berichterstattung an Stakeholder oder der Integration der Ergebnisse in die Projektdokumentation.

Die Ökobilanz sollte nicht als eigenständige Analyse, sondern als integriertes Planungsinstrument betrachtet werden:

  • Schematische Planung (SD): Ingenieure und Architekten überprüfen CO2-Ziele, vergleichen Tragwerke (z. B. Stahl vs. Holz) und optimieren Fundamente auf Grundlage der Erkenntnisse aus der Ökobilanz.
  • Designentwicklung (DD): Der Fokus verlagert sich auf die Identifizierung kohlenstoffintensiver „Hotspots“ wie den Betoneinsatz und die Entwicklung von Strategien zur Materialeffizienz.
  • Baudokumentation (CD): Die Spezifikationen werden an den GWP-Zielen ausgerichtet, und es werden Materialien mit geringer Umweltbelastung ausgewählt.

Ausschreibung und Bau: Das Planungsteam stellt sicher, dass Umweltziele in die Ausschreibungsanforderungen und Baupraktiken integriert werden, einschließlich Aktualisierungen der Ökobilanz basierend auf der endgültigen Materialauswahl.

Durch die Einbindung der Ökobilanz in den gesamten Entwurfs- und Bauprozess können Projektteams nicht nur die gesetzlichen Anforderungen erfüllen, sondern auch Gebäude mit deutlich geringerer Umweltbelastung errichten – Nachhaltigkeit wird so zu einem zentralen Entwurfswert und nicht nur zu einem Kontrollkästchen.

 

Warum LCA jetzt wichtig ist

Nachhaltigkeit am Bau ist nicht mehr optional. Angesichts der Verschärfung der globalen Vorschriften und der Forderung der Kunden nach Transparenz  ist die Ökobilanz (LCA) zu einem der wichtigsten Instrumente in modernen Bauprojekten geworden. Es bietet eine wissenschaftliche Methode, um die Umweltauswirkungen eines Gebäudes über seinen gesamten Lebenszyklus hinweg zu messen – von der Materialgewinnung und -produktion über den Bau und die Nutzung bis hin zum Abriss.

Für Stakeholder in der gesamten Wertschöpfungskette – Entwickler, Architekten, Ingenieure und Bauunternehmer – liefert LCA messbare Daten zu Kohlenstoffemissionen, Energieverbrauch und Materialleistung. Es verwandelt Nachhaltigkeit von einem vagen Ziel in quantifizierbare Ergebnisse, die sowohl die Einhaltung von Vorschriften als auch Wettbewerbsvorteile fördern.

 

Was ist LCA im Bauwesen?

Die Ökobilanz (LCA) bewertet den ökologischen Fußabdruck eines Gebäudes, indem sie alle Phasen untersucht:
  • A1–A3: Rohstoffgewinnung und Produktherstellung
  • A4–A5: Verkehrs- und Bauphase
  • B1–B7: Nutzung, Wartung und Betrieb
  • C1–C4: End-of-Life, Abbruch und Abfallbehandlung
  • D: Vorteile und Gutschriften aus Recycling oder Wiederverwendung

Die Stärke der Ökobilanz liegt in ihrer Fähigkeit, Kohlenstoff-Hotspots zu identifizieren, d. h. jene Materialien oder Prozesse, die am meisten zum verkörperten Kohlenstoff des Projekts beitragen. Diese Erkenntnisse ermöglichen Designoptimierungen, eine intelligentere Materialauswahl und stärkere Angebote für Green-Building-Zertifizierungen wie LEED, BREEAM oder DGNB.

 

Die Rolle von EPDs: Von Materialdaten zu Projekteinblicken

Ein entscheidender Input für die Ökobilanz ist die Umweltproduktdeklaration (EPD). Eine EPD liefert verifizierte Daten über die Umweltauswirkungen eines bestimmten Produkts, die in der Regel in Kilogramm CO₂-Äquivalent pro Kilogramm oder Kubikmeter Material ausgedrückt werden.

EPDs liefern zwar Daten auf Geräteebene, können aber nicht den ökologischen Fußabdruck eines gesamten Gebäudes vorhersagen. Dies erfordert eine Mengenermittlung (QTO): die Extraktion präziser Materialmengen aus Designmodellen und deren Multiplikation mit den relevanten EPD-Daten.

Kurz gesagt: EPD + Mengenermittlung = Gebäude-Ökobilanz-Bericht

Ohne QTO bleibt eine EPD ein statisches Dokument. Mit QTO wird es zu einem leistungsstarken Treiber der Entscheidungsfindung, der es den Kunden ermöglicht, die tatsächlichen Umweltauswirkungen eines kompletten Gebäudes zu erkennen.

 

BIM und Revit: Ermöglichung datenreicher LCA-Workflows

Hier  kommen BIM-Tools (Building Information Modeling), insbesondere Autodesk Revit, ins Spiel. Während Plattformen wie Allplan Zeichnungen generieren können, ermöglicht Revit eine datenreiche Modellierung, bei der jede Wand, Decke, Stütze oder jedes Fenster Metadaten enthält, die für die Ökobilanz exportiert werden können.

Aus den Best-Practice-Richtlinien:

  • Die Materialkennzeichnung ist wichtig. Jeder Familientyp sollte explizite Definitionen enthalten (z. B. Beton C30/37 anstelle von vagen Begriffen wie "Kein Material").
  • Layered Modeling ist unerlässlich. Multimaterialelemente wie Wände und Platten müssen mit allen Schichten modelliert werden, einschließlich Isolierung und Oberflächen.
  • Parameter steuern die Genauigkeit. Gemeinsame Parameter wie Bauteilnummer, Bauteilart, Bauteilgruppe, Materialdichte, deklarierte Einheit (m², m³, kg) ermöglichen eine automatische Berechnung.
  • Verstärkung zählt. Stützen, Balken und Platten sollten Verstärkungsdetails oder dokumentierte Verhältnisse enthalten, um eine realistische Bewertung des grauen Kohlenstoffs zu ermöglichen.
  • Vermeiden Sie vage Modellierungen. Hohl- vs. Volumenelemente müssen korrekt definiert werden, während irrelevante dekorative Bauteile aus den Ökobilanzberechnungen ausgeschlossen werden sollten.

Dieser strukturierte Ansatz stellt sicher, dass die Materialmengen beim Export eines Modells die Realität widerspiegeln und für eine zuverlässige Analyse direkt auf EPDs abgebildet werden können.

 

Der Workflow: Von der Kundenzeichnung zum LCA-Bericht

Die Umwandlung von Designdaten in einen umsetzbaren LCA-Bericht erfordert einen systematischen Workflow:

1. Erfassung von Eingabedaten

  • Importieren Sie Architektur- und Strukturzeichnungen (Pläne, Schnitte, Details).
  •  Überprüfen Sie die technischen Spezifikationen.
  •  Klassifizieren Sie Komponenten nach Kundenwunsch (Wände, Decken, Balken, Fenster).

2. Revit-Einrichtung

  • Erstellen Sie Materialien und Familientypen mit der richtigen Dicke und Dichte.
  • Definieren Sie die deklarierten Einheiten konsistent (m³, m², kg).
  • Importieren Sie IFC- oder DWG-Dateien aus dem Client und richten Sie sie genau aus.

3. Modellierung von Komponenten

  • Wände, Decken, Balken und Stützen werden mit geschichteten Details erstellt.
  • Türen und Fenster enthalten Formeln für die Rahmenlänge und das Materialgewicht.
  • Für Geländer und Treppen sind benutzerdefinierte Familien erforderlich, um Gesamtlängen und -volumina zu berechnen.

 

4. Mengenermittlung und Terminierung

  • Generieren Sie Zeitpläne mit Materialcodes, Gruppen, Dicken und Mengen.
  • Stellen Sie sicher, dass Dichte- und Klassifizierungsfelder für die Genauigkeit enthalten sind.
 

5. Export & Integration

  • Exportieren Sie Revit-Zeitpläne nach Excel (mit Plug-ins wie DirootsOne).
  • Ordnen Sie Materialien der entsprechenden EPD zu.
  • Übertragen Sie die Ergebnisse in eine LCA-Software für die Kohlenstoffberechnung.

 

6. Prüfung & Validierung

  • Überprüfen Sie Namenskonventionen und vermeiden Sie Widersprüche.
  • Bestätigen Sie die Verstärkungsannahmen.
  • Stellen Sie sicher, dass hohle vs. feste Elemente korrekt modelliert werden.
  • Schließen Sie nicht relevante Modellteile von der Analyse aus.

7. Unterwerfung

  • Liefern Sie das endgültige Modell und den transparenten LCA-Bericht.
  • Liefern Sie sowohl Ergebnisse pro Komponente als auch einen konsolidierten Gebäude-Footprint.

 

Warum Kunden LCA-Berichte benötigen

Selbst wenn Kunden bereits über EPDs verfügen, verlassen sie sich auf technische Berater, um:

  • Extrahieren Sie Mengen genau aus BIM-Modellen.
  • Ordnen Sie Materialien ordnungsgemäß EPDs zu.
  • Aggregieren Sie Tausende von Datenpunkten in einem übersichtlichen, projektweiten LCA-Bericht.

Dieser Workflow verwandelt fragmentierte Informationen in entscheidungsbereite Informationen und ermöglicht es Kunden, Entwürfe zu vergleichen, Materialien zu optimieren und die Einhaltung von ESG-Vorschriften in Investorenberichten und Nachhaltigkeitsangaben nachzuweisen.

 

Fallbeispiel: BIM-integrierte Ökobilanz für nachhaltige Projekte

In der Praxis kann die Integration von Ökobilanzen in BIM-Workflows:

  • Zeigen Sie, dass Dämmschichten mehr CO₂ verursachen als erwartet, was zu einem Wechsel zu kohlenstoffarmen Alternativen führt.
  • Zeigen Sie, dass Betonfertigteile bei kurzen Transportwegen besser abschneiden als Ortbeton.
  • Bieten Sie eine Kohlenstoffanalyse in einem frühen Stadium an, die es Architekten ermöglicht, die Materialauswahl vor Baubeginn zu verfeinern.

In einem Projekt wurde beispielsweise ein IFC-Modell importiert, mit geschichteten Revit-Elementen neu erstellt und an EPD-Daten ausgerichtet. Im Abschlussbericht wurde die Isolierung als wichtiger Kohlenstoff-Hotspot identifiziert. Durch die Umstellung auf ein alternatives Material wurde der CO₂-Anteil um 15 % reduziert – eine Entscheidung, die nur mit BIM-integrierter Ökobilanz möglich ist.

 

Vorteile für Stakeholder

  • Kunden/Entwickler: Einhaltung der EU-Taxonomie, ESG-Transparenz, stärkere Gebote bei grünen Ausschreibungen.
  • Architekten/Designer: Datengestützte Entwurfsentscheidungen und die Möglichkeit, Entwurfsoptionen zu vergleichen (z. B. Fertigteile vs. Ortbeton).
  • Auftragnehmer: Verbesserte Planung, weniger Materialverschwendung, optimierte Beschaffung.
  • Gesellschaft: Geringerer Kohlenstoffgehalt und messbare Beiträge zur Klimaneutralität.

 

Fazit: LCA als neuer Standard im Bauwesen

Die Ökobilanzierung ist mehr als eine Compliance-Anforderung. Sie ist die Brücke zwischen Designabsicht und messbarer Nachhaltigkeitsleistung. Durch die Kombination von EPD-Daten mit präziser BIM-basierter Mengenermittlung können Ingenieure und Architekten Berichte erstellen, die nicht nur die Anforderungen der Kunden erfüllen, sondern auch Innovationen im nachhaltigen Bauen vorantreiben.

In den kommenden Jahren wird sich LCA von einem "Nice-to-have"- zu einer Branchenbasis entwickeln, und Unternehmen, die heute BIM-integrierte LCA-Workflows einführen, werden den Standard für die nachhaltigen Projekte von morgen setzen. An dieser kritischen Schnittstelle unterstützt gbc engineers seine Kunden durch die Bereitstellung präziser Quantity Take-off-Dienstleistungen aus BIM-Modellen und stellt sicher, dass die Umweltdaten zuverlässig, transparent und entscheidungsfähig sind. Die Zukunft des Bauens gehört denen, die komplexe Daten in umsetzbare Nachhaltigkeitsstrategien umwandeln können, und LCA, ermöglicht durch eine robuste Mengenermittlung, ist die Sprache dieser Zukunft.